Danke, man lebt
Seite einer halben Stunde stand Holler vor der Käsetheke eines großen Supermarktes Schlange. Normalerweise besorgt seine Frau die Einkäufe, aber seit einigen Wochen litt sie an einem Bandscheibenvorfall, konnte sich nur mühsam bewegen.
Holler wurde allmählich ungeduldig. In zwei Stunden beginnt die Sportschau.
Ob es nicht einfacher wäre, bereits vorgepackten Käse aus dem Regal zu nehmen, überlegte Holler, ließ es dann sein, seine Frau hasst in Plastikfolie eingeschweißten Käse.
„Das dauert heute aber besonders lange“, bemerkte eine Dame hinter Holler. Sie roch nach süßlichen Parfüm, Aprikose und Veilchen.
„Allerdings“, bestätigte Holler, nur noch zwei Kunden, dann war die Reihe an ihm.
Ob er viel Käse kaufe, wenn nicht, ob er so freundlich sei, sie vorzulassen, sie brauche nur drei Schreiben Emmentaler.
Das schlägt dem Fass den Boden aus, durchzuckte es Holler. Ist er vielleicht Vorsitzender von einem Wohltätigkeitsverein?
„Kennen wir uns nicht?“ Die Dame beugte sich ein wenig nach vorn, blickte direkt in Hollers Gesicht.
„Nicht, dass ich wüsste“, erwiderte Holler barsch.
„Wagenbauer, Annemarie“.
Holler horchte auf. Der Name kam ihm irgendwie bekannt vor.
„Sind sie nicht aus Paderborn?“, hauchte die Dame.
Holler zuckte zusammen. In Paderborn ist er in die Schule gegangen, mit mehr oder weniger Erfolg. Er drehte sich um, wäre beinahe mit seinem Gesicht an das der Dame gestoßen, ein paar Zentimeter, und ihre Münder hätten sich berührt,
Er musste zugeben, die Dame roch nicht nur verführerisch, sie sah auch so aus. Bis ins allerletzte Detail gestylt, obwohl es nicht so kalt war, trug sie einen Pelzmantel, Nerz wahrscheinlich.
„Holler, Friedrich Holler ?“
Holler nickte mit dem Kopf.
„Der Friedrich, so etwas, nach fast dreißig Jahren sehen wir uns endlich wieder. Ich bin die Annemarie“. Sie strahlte Holler an, die rot geschminkten Lippen leicht geöffnet.
„Die Annemarie“, sagte Holler etwas verlegen. Früher eher unauffällig, nicht gerade das, was man eine Schönheit nennen kann, und heute das Gegenteil.
Wie es ihm gehe, was er arbeite, ob er verheiratet sei, er Kinder habe.
„Danke, man lebt“, sagte Holler, gestand, verheiratet zu sein, leider habe seine Frau ihm keine Kinder geschenkt. Gott sei Dank, dachte er für sich, Kinder nerven nur, man plagt sich mit ihnen herum, später schieben sie einen ins Altersheim ab.
Der Teufel muss Holler geritten haben, vielleicht ...
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