… Eine in der Tat etwas umständliche Methode für ein tonnenschweres Geschöpf, das sich manchmal während mehrerer Tage nicht ein einziges Mal hinlegt, gar im Stehen schläft. Als sich der schmerzgepeinigte Bulle nach dem Trinken wieder erhob und zwischen seinen imposanten Säulenbeinen einen dicken Ast hinter sich her schleifte, war klar, daß er meine Hilfe brauchte. Den Ast hatte er zusammen mit der Schlinge vom Baum abgerissen.
Die Operation dauerte lange und war alles andere als ein Routineeingriff. Wir waren nur zu zweit - Halbrüssel und ich. Erst nachdem ich ihn ruhiggestellt, seine Atmung gesichert und den Rüssel zusätzlich örtlich betäubt hatte, konnte ich mich an die Arbeit machen. Aber was bedeutet schon ‚örtlich betäubt’, bei einem derart komplexen, aus mehreren zehntausend Muskeln bestehenden Körperteil. 17 Spritzen hatte es benötigt, bis ich ganz sicher sein konnte, daß er nichts mehr spürte. Ich habe während des gesamten Eingriffs viel mit ihm geredet, das tue ich stets, wenn ich meine Patienten behandle. Habe ihm erklärt, was ich gerade tat, was als nächstes folgen sollte. Und dennoch; sein rechtes Auge mit diesen endlos langen Wimpern sah mich während der zähen Behandlung so vorwurfsvoll an, vergoß sogar Tränen ohne Ende, als würde er jeden Schnitt, jedes Entfernen eines Teiles seines doch so lebenswichtigen Organs, jeden Nadelstich genauestens registrieren. Und tatsächlich bewegte sich der Rüssel zwischendurch zuweilen selbständig, wie in Zeitlupe, hin und her, als wollte er sich dieser unangenehmen Prozedur doch noch entziehen.
Nach beendeter Amputation, als mein sieben Tonnen schwerer Patient wieder wankend auf seinen Füßen stand, brauchte er drei lange Wochen bis er begriff, daß ihm an jener Stelle etwa fünfzehn wichtig Zentimeter fehlten, daß er seine Trink – und Freßtechnik ändern und - daß er seine exzellente Karriere als Solotrompeter wohl für beendet erklären mußte.
Aber hinterher mitzuerleben, wie ein solcher Koloß Schritt für Schritt die Konfusion zu überwinden suchte, die während der ersten Tage nach der Entfernung seiner Rüsselspitze sein Verhalten bestimmte, wie er seine neuen Lebensumstände erforschte und nach und nach damit umzugehen lernte, das war für mich bis dahin das schönste Erlebnis in meinem Beruf. Viele Wochen blieb er in der Nähe, ließ mich sogar ohne Betäubung ganz nahe an sich heran kommen, um die Wunde nachträglich zu untersuchen, spürte sehr genau, daß ich ihm helfen wollte, war des öfteren hin und hergerissen zwischen Fluchttrieb und Angriff, nahm sich aber richtiggehend zusammen. …
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