… Aber wußte sie denn, ob es ihm überhaupt möglich gewesen wäre, ihr diesen großen Gefallen zu tun? Hätte es der Schaich Ibrahim, sein Vater, überhaupt erlaubt? Sie hatte sich noch zu wenig mit den Sitten und Gebräuchen in diesem Land beschäftigt, um darüber genau Bescheid zu wissen. Lena blieb an Retenus Bett sitzen und in diesen Stunden schmolzen langsam die letzten Widerstände in ihr dahin und sie war so gut wie bereit, zu ihrer Liebe zu ihm zu stehen. Irgendwann musste sie wohl über ihren Gedanken eingeschlafen sein, denn als sie die Augen aufschlug war es Nacht geworden. Der Chauffeur mußte leise das Zimmer verlassen haben, doch er hatte die Nachttischlampe eingeschaltet. Sie verbreitete ein gedämpftes Licht und ließ die Schatten unter Retenus Augen noch tiefer erscheinen. Kurz bewegte sich seine Hand in Lenas. Unruhig bewegte er den Kopf von einer Seite zur anderen. Seine Lippen öffneten und schlossen sich, doch sie blieben stumm. Lena hielt weiter seine Hand in der ihren und strich ihm mit der anderen sanft über die Stirn. Nach einer Weile wurde er ruhiger und sein Atem ging wieder gleichmäßig. Als das Morgenlicht sanft durch die Fenster fiel, flatterten Retenus Lider. Einen Augenblick lang sah er verwirrt um sich, doch dann ruhten seine Augen auf Lena und ein mattes Lächeln des Erkennens erhellte seine Züge. „Es wird alles gut,“ flüsterte sie ihm zu, „ich bleibe bei dir.“ Ruhig schloß er die Augen und war bald darauf wieder eingeschlafen. Am nächsten Tag herrschte plötzlich rege Betriebsamkeit im Hotel und auf den Gängen. Schaich Ibrahim, dem der Chauffeur natürlich über die Geschehnisse Bescheid gegeben hatte, kam mit einem wahren Stab an Bediensteten in Luxor an. Auch den Leibarzt hatte man nicht vergessen und nachdem dieser die Transportfähigkeit von Retenu überprüft hatte, wurde er in ein Spezialfahrzeug verladen und verschwand aus Lenas Blickfeld. Nachdem der Schaich das Kommando übernommen hatte, war Lena auf ihr Zimmer geschickt und nicht mehr in der Nähe des Schaichsohns geduldet worden. Sie wunderte sich nur, daß man sie nicht einfach im Hotel vergaß, aber so nachlässig war man nun doch wieder nicht.
Sehnsucht
Eine Woche war vergangen, das Leben in der Villa Assiz ging wieder seinen gewohnten Gang. Lena wurde vom Schaich, sowie etlichen der Bediensteten, vorwurfsvoll angeschaut und ihre Nähe wurde gemieden. Sie führten, nicht ganz zu Unrecht wie sie zugeben …
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