... den nahenden Regen fast schmecken zu können. Miguel hatte kurz vor ihrer Ankunft eine Zigarettenpause eingelegt und Sam für die Aufnahme im Gefängnis vorbereitet. Er hatte ihr eingeschärft, keinen Blickkontakt zu den anderen Gefangenen und auch nicht zum Wachpersonal herzustellen. Fragen sollte sie knapp und so präzise wie möglich beantworten. Beleidigungen und Anzüglichkeiten ignorieren. Sollte sie mit Aggressivität konfrontiert werden, den ersten Schlag ausführen. In den Sammelduschen immer mit dem Rücken zur Wand stehen, sich im Speisesaal nie in die Mitte, immer an die äußeren Tische am Rand orientieren und so weiter und so weiter. Fast 20 Minuten lang gab ihr Miguel einen Crashkurs zum Überleben unter Berufskillern, Psychopathen, Vergewaltigern und Totschlägern. Wenn es ganz eng werden würde, schärfte er ihr ein, solle sie die abgedrehte Irre spielen und zugeben, dass sie einen Kinderschänder ermordet habe. Er erklärte ihr, dass es auch in Gefängnissen einen gewissen Ehrenkodex und eine Rangordnung gab, auf der Kinderschänder die unterste Stufe einnahmen und nicht selten genug abgemurkst wurden. Je mehr Miguel mit hilfreichen Tipps aufwartete, desto mehr sank Sams Mut, sich in einer solchen Welt behaupten zu können. Sie hatte einen entscheidenden Nachteil, über den sie sich vollkommen im Klaren war. Sie sah aus, wie ein Pin-up-Girl, das der Wichsvorlage gängiger Hochglanzmagazine entsprungen war. Groß, schlank, mit vollen Brüsten, die der Schwerkraft trotzten, langen, wohlgeformten Beinen, einem engelsgleichen Gesicht mit wundervollen, leicht schräg gestellten grünen Augen, vollen Lippen und laut Smitti einem geileren Arsch als JLo. Sam seufzte, in der Vergangenheit hatte sie oft ihr Äußeres dazu benutzt, um sich Vorteile zu verschaffen. Mit ihren 23 Jahren war sie ziemlich abgebrüht und konnte nahezu perfekt ihren Verstand vom Körper lösen, wenn sie gezwungen war mit wenig appetitlich aussehenden Männern zu kopulieren. Sie war nicht stolz auf diese Fähigkeit, aber hier würde sie ihr im Zweifel das Leben retten. Der Wagen fuhr im Schritttempo durch das dritte Tor. Miguel hielt auf einem großen Hof, hinter dem Haupttrakt. Hier waren die Zwinger der Wachhunde, die nachts die Anlage bewachten. Bullige, graue Tiere, mit blutunterlaufenen Augen starrten sie böse durch die Gitter ihrer Verschläge an. Die Hunde gaben keinen Laut von sich. Sam fröstelte, bei der Vorstellung, was sie wohl mit einem Menschen anstellten, der ...
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