... saß mein Mann heftig schluchzend am Küchentisch und trank Tequila aus einem Wasserglas. Miguel weint nie und Tequila steht bei uns nur für Gäste bereit. Ich ahnte also, dass etwas Furchtbares geschehen sein musste. Als mein Mann mir dann alles erzählt hatte, war die Tequilaflasche leer und mein Nachthemd nass von unseren Tränen.“ Von der Arresttür ertönte ein dumpfes Klopfen. Anita sah zur Tür. „Das ist Maria, die Putzfrau, die Einzige außer meinem Mann, die weiß, dass ich hier bei Ihnen bin. Sie dürfen niemanden von unserem Gespräch erzählen. Mexiko ist ein merkwürdiges und korruptes Land, wir dürfen kein Risiko eingehen. Ich schwöre Ihnen beim Augenlicht meiner Kinder, dass ich Sie aus dem Gefängnis hole. Ich bitte Sie nur um die nötige Geduld.“ Sam starrte Anita weiterhin ungläubig an. Anita erhob sich. „Wir haben nicht mehr viel Zeit. Mein Mann kann die morgendliche Besprechung nicht unnötig verlängern, ohne dass seine Männer misstrauisch werden. Er hält sich immer peinlich genau an festgesetzte Zeitpläne und weicht nie ab. Aber eine Bitte habe ich noch an Sie.“ Sam, die wieder angefangen hatte, das Salamibrötchen zu essen, hob die Augenbrauen fragend hoch. Anita trat unbehaglich von einem Bein auf das andere. „Halten Sie mich bitte nicht für pervers, aber ich muss es wissen. Mein Mann weigert sich standhaft, mir etwas darüber zu erzählen. Wie haben Sie das Leben dieses Dreckskerls beendet?“ Samantha dachte einen kurzen Moment nach. Anita war so klein und zierlich. Sicher war sie ihren Kindern eine liebevolle und aufopfernde Mutter. Sie wirkte so unbelastet von dem Bösen in der Welt. Sam entschied, dass dies so bleiben solle und antwortete mit gepresster Stimme auf Anitas Frage. „Er hat für alles bezahlt, was er ihren Kindern und meiner Jessica angetan hat. Jessica war wie eine Schwester für mich. Glauben Sie mir, ich habe mir mit seinem Blut in dieser Nacht einen Platz in der Hölle reserviert. Mehr müssen Sie nicht wissen.“ Anita nickte kurz mit dem Kopf und schlug dreimal gegen die Tür. „Danken werde ich Ihnen, wenn Sie frei sind.“ Mit diesen Worten trat sie durch die von Maria geöffnete Tür. Sam legte den Kopf in den Nacken und blies mit vorgeschobener Unterlippe ihren Atem gegen ihre Stirn. Ihre Situation hatte eine unvorhersehbare Wendung genommen. Ob es das Schicksal doch noch gut mit ihr meinen würde?
Mit einem unspektakulären Ruck gaben die Kabelbinder nach und Sams rechte Hand schlug ...
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