Vater manövrierte das Auto durch den Tumult der Innenstadt von Sarajevo auf der Suche nach unserem Hotel. Inzwischen war es Abend geworden. Die Eltern ließen uns in einem orientalischen Palast zurück und verschwanden. Natürlich war es kein Palast, aber es sah für mich so aus. Das Zimmer schien in einem großen, runden Turm zu liegen und hatte fast rundherum große Fenster. Die Betten waren übersät mit Kissen in dunklen, satten Farben. Goldfarbene Quasten quollen über den Bettrand. Bunte Orientteppiche dämpften die Schritte und die Lampen in den mit Lochmustern verzierten Messinggehäusen warfen Schattenmuster auf die Wände. Dazu drang durch die wegen der Hitze weit geöffneten Fenster der Lärm der Gassen vor dem Hotel.
Meine Schwester und ich setzten uns erst einmal auf eines der Betten, ein weiches Lager aus mehreren Matratzen, und schauten uns um. Wie gerne hätte ich aus dem Fenster geschaut, aber ich traute mich nicht. Auf unserem Weg durch die Stadt hatte ich einen Blick auf ihre Bewohner werfen können und was ich sah war so fremd und fern meiner Welt, dass ich Angst bekam. Wir machten uns schnell bettfertig und löschten das Licht bis auf eine kleine Leuchte. In diesem Moment rief der Muezzin vom Turm der nahen Moschee. Ein Schauer lief uns über den Rücken und ich schlüpfte schnell zu meiner Schwester ins Bett. Eigentlich fühlte ich mich ein wenig wie Scheherazade, deren Geschichten ich gelesen hatte, oder wie eine orientalische Prinzessin und ich hätte meiner Schwester gerne eine Abenteuergeschichte aus "Tausend und eine Nacht" erzählt, aber die Worte blieben mir vor Unbehagen im Hals stecken.
Am nächsten Morgen war der Spaziergang durch die schmalen Gassen mit den Eltern bei Tageslicht ein reines Vergnügen. Vater zeigte uns eine Moschee und machte uns auf alles aufmerksam was typisch für den Orient war. So saßen Frauen und Männer in weißen Pumphosen und roten Westen am Straßenrand und verkauften mit lautem Geschrei ihre Früchte. Ein Metzger trug auf seiner Schulter ein halbes Schwein durch das Getümmel der Straßen und knatternde Mopeds, Eselkarren und alte verbeulte Autos manövrierten sich mit unglaublicher Sicherheit durch die Menschenmassen in den engen Gassen. Wir flanierten an vielen kleinen Geschäften vorbei. Die kunstvollen Messing- und Silberarbeiten, die teilweise auf der Straße im Sitzen gefertigt wurden, fand ich besonders schön. Vater hielt alles mit der Filmkamera fest.
Zu unserem eigentlichen ...
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