Die Hand des Arztes klatschte zurück in die Lache, worauf sich der zweite Schuss aus dem Gewehr löste. Das laute Krachen brüllte durch den gekachelten Gang und raubte Ben beinahe das Gehör. Erschrocken wich er zurück. Der Kopf des Weißkittels rutschte zur Seite auf den Boden. Erst jetzt sah Ben das faustgroße Loch im Hinterkopf. Mit einem Schrei sprang er auf und würgte. Er entdeckte die bespritzten Wandkacheln. Aus dem Würgen wurde ein entsetztes Keuchen. Ben taumelte zurück in den Warteraum, bereits den bitteren Geschmack seines Abendbrots im Mund.
Der Gedanke an das Gewehr hatte sich erübrigt. Ohne Munition war es genauso nützlich wie ein sperriger, unhandlicher Knüppel. Konnte es sein, das der Weißkittel aus dieser Welt geflüchtet war? In Gedanken sah er sich mit der Waffe in den Händen... Ben schloss die Augen, doch das änderte an dem Bild nichts. Er musste sich ablenken, an irgendwas anderes Denken.
Was war aus Lena geworden? Hatte sie sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen können? Egal was hier die Tür geöffnet hatte, es musste mindestens auch diesen großen Schreibtisch rücken können. Zwei Personen könnten das schaffen, überlegte Ben.
Sein Blick blieb an dem weißen Laken hängen, mit welchem er Lena zugedeckt hatte. Jetzt lag es als wildes Knäuel auf dem Boden. Ben hob es auf. Der faulige Gestank war nicht zu überriechen. Er schlug die Falten auseinander. In der Mitte zeigte sich ein feuchter, schleimig-blutiger Fleck. War das Lenas nässende, eitrige Verletzung gewesen? So groß! Ben schüttelte den Kopf, warf den Lappen achtlos zu Boden und stürmte nach draußen.
Vielleicht hätte er Lena nie allein lassen sollen? Vielleicht hätte er sich aber auch niemals mit ihr treffen sollen. Das böse Gefühl in der Magengegend! Vielleicht war aber genau das auch seine einzig richtige Entscheidung heute Abend gewesen?
Auf alle Fälle würde er jetzt schleunigst zum nächsten Polizeirevier eilen und sich danach aus dem Staub machen. Und zwar so weit weg, wie möglich!
Part #06 - Polizeistunde
Benjamin Wagner eilte die verlassene Straße entlang. Langsam meinte er, sich an den leeren, toten Anblick der Innenstadt um diese Urzeit zu gewöhnen. Sein Blick glitt zur Uhr. Halb vier! Bis zur Dämmerung waren es also noch ein paar Stunden. Bens Herz raste. Er gönnte sich kaum mehr ...
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