Der Schulalltag beginnt und ich versinke im Chaos. Weder in Mathe noch in Englisch oder Deutsch bin ich annähernd auf dem Stand der Dinge. Meine Noten sind dementsprechend. Mutter wird mehrmals zur Rektorin bestellt. Wenn ich nach diesen Sitzungen nach Hause komme sitzt sie heulend am Tisch. Überhaupt haben bei uns Mutters Tränen das Regiment übernommen. Sie kann sich nicht mit dem neuen Zuhause anfreunden und flüchtet sich in die Zeit vor ihrer Ehe in Norddeutschland. Diese alten Geschichten sind ihr einziger Trost.
Ich weiß nicht was sie meinem Vater erzählt wenn er denn mal da ist. Als Schlusspunkt höre ich nur:
"Sie ist nicht dumm, sie soll sich anstrengen und dann wird sie es schon schaffen."
Ich bemühe mich wirklich, aber es ist keine Hoffnung in Sicht.
Vom Zeichnen eines Kreises mit der Erläuterung des Begriffes "Winkel", meiner letzten Mathestunde in NRW, zur Segmentberechnung eines Kegels führt für mich kein Weg. In Windeseile erlerne ich die Formeln und mathematischen Abkürzungen aber es fehlt einfach an der Anleitung. Nachhilfe steht nicht zur Debatte.
"Wir kennen hier niemanden und das ist zu teuer."
Zu teuer? Das Wort hat es bei uns noch nie gegeben. Ich denke Vater ist wegen des Geldes nach Bayern gegangen? Überhaupt wird viel über Geld gesprochen. Zinsen, Abzahlung und Haushaltskosten sind beliebte Themen. Ich würde es begrüßen wenn sie sich mal ruhig und vernünftig über meine Probleme unterhalten würden. Doch es herrscht bei uns sofort dicke, gereizte Luft wenn sich das Gespräch diesem Sprengstoff nähert. Jeder macht einen weiten Bogen darum. Ich natürlich auch, denn es ist nicht lustig mitten in die Schusslinie von Vaters verbalen Attacken zu geraten. Es hagelt Vorwürfe und Schuldzuweisungen und wir werden sofort sehr laut.
Ich fühle mich überfordert und allein gelassen. Eines Tages, als Mutter wieder mal in der Schule vorsprechen muss und ich nach Schulschluss die Treppe zum Schultor hinuntergehe schwöre ich einen Eid mit mir selber. Sollte ich jemals Kinder ...
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