Eines Morgens betrete ich mein Klassenzimmer. Keiner sitzt auf seinem Platz, alle stehen um den Platz von Monika herum. Neugierig stelle ich mich dazu.
"Was ist los?" frage ich ahnungslos und im selben Moment bemerke ich, dass Monika in Tränen aufgelöst auf ihrem Stuhl sitzt. Sie sei schwanger, wird mir mitgeteilt, und sie müsse wohl die Schule verlassen. Noch niemals vorher durfte eine Schwangere weiter zur Schule gehen. Sie sei ein schlechtes Vorbild für die anderen Schüler. Man wolle Wissen vermitteln und keine Lebenshilfe, erklärt der erste Lehrer der das Klassenzimmer betritt.
Monika ist mir bisher kaum aufgefallen. Sie ist eher klein mit dunkelbraunen, langen Haaren und sehr still. Ich weiß nicht ob sie eine gute oder schlechte Schülerin ist, aber das spielt nun keine Rolle. Sie wird auf ihrem Stuhl immer noch kleiner je länger sie weint. Einige Schülerinnen beginnen zu diskutieren, erst leise unter sich, dann immer lauter und fordernder. An Unterricht ist nicht zu denken.
Es geht nicht an, finden wir, dass in diesen aufgeklärten Zeiten noch Sitten aus dem Mittelalter jungen Leuten die Bildung suchen aber durch widrige Umstände vielleicht zweitweise verhindert sind, der Zugang zur Schule versperrt wird. Monika war schon bei der Direktorin die ihr unmissverständlich klar machte, dass sie ab sofort nicht mehr am Unterricht teilnehmen dürfe. Dieses Urteil wollen wir nicht hin nehmen. Der Lehrer vor uns versucht uns zur Ruhe zu zwingen, droht mit Nachsitzen und Verweis, wird lauter und seine Gesichtsfarbe wechselt von fahler Blässe, bedingt durch das Studieren von Büchern und unseren Arbeiten zu aggressivem Rot, ja seine Haare stellen sich auf und ich befürchte dass er gleich explodieren wird. Trotzdem geben wir keine Ruhe. Plötzlich liegen große Bögen Karton auf den Tischen. Wir beugen uns darüber und beschriften sie mit markigen Parolen:
Schwangere haben Recht auf Bildung.
Lieber ohne Direx als ohne Schwangere.
Kinder sind die Welt von morgen.
Mit geballten Fäusten drängen wir ins Treppenhaus, poltern die Treppe zum Sekretariat hinauf, Monika wie ein Schild vor uns her schiebend, und postieren uns im Gang vor dem Lehrerzimmer. Unsere Sprechchöre zerreißen die furchtbare Stille die diesen dunklen Gang beherrscht. Monikas Tränen versiegen und ihr Gesicht bekommt ...
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