Tutu hatte Nefer die Fesseln abgenommen und sie mit frischem Brot und gebratenem Geflügel versorgt. Nefer weigerte sich auch gar nicht, das Essen anzunehmen, denn schon in Schmun war ihr klargewesen, daß sie für eine eventuelle Flucht ihre ganzen Kräfte brauchen würde und sie weder Stolz noch Dickkopf in dieser Sache weiterbringen würden. Ängstlich wartete sie, nachdem sie das Mahl beendet und sich die Finger in einer Schale mit duftendem Wasser gereinigt hatten – man mußte es Tutu lassen, wenn es Komfort gab, dann stellte er ihn auch bereit – auf Tutus nächsten Schritte. Er erhob sich von den Binsenmatten, auf denen sie kniend gegessen hatten und wies sie kurz an: „Ich werde nun zum Hafen gehen, um für unsere bequeme Weiterreise zu sorgen. Du bleibst hier.“ Grinsend blickte er auf das einzige schmale Fenster des Raumes, das nicht einmal ein Kind durchschlüpfen hätte lassen und fuhr fort: „Auf irgendeinem Schiff werde ich bestimmt eine ruhige Ecke für uns alleine bekommen. Wenn ich nur genügend bezahle, wird etwas Abgeschiedenheitkein Problem sein und dann können wir uns endlich unserem Vergnügen widmen.“ Mit schmierigem Grinsen flüsterte er: „Du wirst es sicherlich genauso sehnsüchtig erwarten wie ich, nicht wahr?!“ Mit einer lüsternen Geste strich er ihr im Vorübergehen über die Hüfte, dann wandte er sich zur Tür. Wenig später hörte Nefer den Riegel einrasten. Sie wartete eine Weile, bis sie sicher sein konnte, daß Tutu die Pension wirklich verlassen hatte, dann begann sie mit einer gründlichen Untersuchung der Tür und des Fensters. Mutlos ließ sie sich nach einer Weile auf die Matten sinken. Es hatte keinen Sinn. Die Tür war massiv und verriegelt, das Fenster viel zu klein. Eine Flucht war unmöglich. Nefer legte das Gesicht in die Hände und ein wildes Schluchzen schüttelte ihren zarten Körper. Ihre ganze Welt war zerstört. Alles, was sie gekannt – an was sie je geglaubt hatte, war verschwunden, die zarten Keime eines neuen Glaubens an eine bessere Welt unter dem unerbittlichen Wüstensand Kemets begraben. Die königliche Familie, die einzige Familie die sie jemals gekannt hatte, sie waren tot, fort, verschwunden. Und Antef, ihr Geliebter, sowie Haremhab der ihr immer wieder aus der Klemme geholfen hatte, waren so unerreichbar für sie wie das ferne Wawat, ihre einstige Heimat. Nefer weinte hemmungslos und so überhörte sie, daß der Riegel der Tür leise zurückgeschoben wurde und schwere Schritte in ...
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