... härtesten aber traf es die Priesterschaft von Theben. Diese gebildeten Männer lebten von den Abgaben an die verschiedenen Tempel in Reichtum und Wohlstand. Sie hatten sich stets ihren Anteil am Gold, an den Speiseopfern und am Wein gesichert und waren dabei faul und verwöhnt geworden. Die Opferbereitschaft der Bürger ließ in Folge des Atonkultes stark nach und wer hatte am meisten darunter zu leiden? Die Priester. Einige von ihnen waren zwar zu den neu erbauten Atontempeln der Stadt abberufen worden – aber die anderen, die befürchten mußten früher oder später ihre Götter ganz aufgeben zu müssen, begannen heimliche Treffen abzuhalten um zu beratschlagen und zu intrigieren. Auch war die Macht selbst derjenigen Priester beschnitten, welche sich jetzt dem Dienst an Aton weihten, da Aton nur indirekt mit ihnen zu tun hatte. Der Einzige, der direkten Kontakt durch Gebete und Opfer zu ihm aufnehmen konnte und durfte, war der Pharao selber. Je mehr Nefer darüber nachdachte, desto besorgter wurde sie. Es war gut daß der König, um eben diesen ewigen Konflikten den Rücken zu kehren, die Stadt Achetaton gebaut hatte. Wenn Nefer an den Umzug nach „Horizont des Aton“ dachte, wurde ihr ganz leicht ums Herz. Dort würde ihr Herr nur noch von seinen Anhängern und den von ihm ausgewählten Gefolgsleuten umgeben sein und es würde endlich Friede herrschen. Nefer hatte den hinteren Eingang erreicht, durch den man von den Gärten aus den Palast betreten konnte. Sie schlüpfte in den Lotussaal. Während sie ihn durchquerte betrachtete sie die in tausend verschiedenen Varianten abgebildeten Blüten, welche Wände und Säulen bedeckten. In Wandnischen standen goldene Statuen, welche Amenophis, Nofretete und andere Mitglieder der königlichen Familie darstellten und dazwischen immer wieder große Vasen mit duftenden Lotusblüten. Hier fanden von Zeit zu Zeit rauschende Feste statt, an denen sie aber noch nicht teilnehmen durfte. Sie versteckte sich dann manchmal hinter einer der Säulen und beobachtete mit glänzenden Augen die Menschen und die Akrobaten und Tänzer, welche für Unterhaltung sorgten.
Die Lauscherin
Sie hatte nun das Ende des Saals erreicht und hatte schon die Tür einen Spalt breit geöffnet, als sie eine Stimme vernahm, die sie zögern ließ. Den Riegel noch in der Hand überlegte sie, ob sie sich nicht in den Garten zurückziehen und warten sollte, bis der Besitzer eben dieser Stimme verschwunden wäre. Sie hatte die Stimme von Eye erkannt. ...
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