… Das kleine Mädchen schaffte es allerdings nicht, mehr als ein paar Schritte zwischen sich und ihren Peiniger zu bringen, als er sie schon wieder einholte, am Arm packte und ihr eine schallende Ohrfeige gab. Unter lautem Schimpfen und Murren zog er sie weiter hinter sich her immer wieder die schmerzende Stelle zwischen seinen Beinen reibend. Plötzlich blieb er mit einem überraschten Atemzug stehen. Nefer rannte prompt gegen ihn und fiel dann unsanft auf ihre Sitzfläche. Parallel zur Straße verlief hier ein langer Anlegesteg, welcher aber nicht am Wasser endete, sondern in Holzstufen zu einer dicken, hohen Mauer emporführte. Auf dieser Mauer drängten sich armselige Gestalten und wurden von Soldaten mit Peitschen und Schwertern immer wieder vorwärts getrieben, wenn sie in Panik von der Mauer zurück und auf den Steg drängten. Nefer war zuerst nicht klar, was da vor sich ging; dann stürzte unter heißerem Schreien eine der Gestalten, nur mit einem schmutzigen Lendenschurz bekleidet, von der Mauer in das braungrüne Wasser und plötzlich fing der Fluß zu brodeln an. Die spitzen Schreie des Mannes verhallten bald, als die riesigen Krokodile ihn in Stücke zerrissen und sich das Wasser des Nils blutrot färbte. Entsetzt und doch fasziniert hatte Nefer keinen Blick von der Szene wenden können und stand viel zu sehr unter Schock, um sich zu wehren, als ihr erster Besitzer sie über den Steg und die Stufen hinaufschob. Mit wütender Miene redete er auf einen der Soldaten ein. Aber erst, als er mit ein paar Kupferstücken nachhalf, reihte dieser das kleine Mädchen in die Schlange der Opfer für den Krokodil-Gott Sobek ein. Eigentlich war es keine Opferhandlung im üblichen Sinn, sondern ein Bestrafungsakt. Diebe, Betrüger und Kleinkriminelle, welche wiederholt straffällig geworden waren, wurden heute hiermit dem Tode durch die Krokodile bestraft. Allerdings war auch ein einfacher Priester zugegen, der rituelle Gebete zitierte, da im Endeffekt diese Hinrichtungen dann zwei Zwecken zugleich dienten. Um ihre Angst zu verbergen, hatte Nefer sich hoch aufgerichtet und trotzig die Arme vor der Kinderbrust verschränkt. Hämisch grinsend stand der Kaufmann am Ufer und beobachtete das entsetzliche Geschehen. Natürlich wollte er der kleinen Wilden nur Angst einjagen, um ihr den Schneid abzukaufen und sie gefügig zu machen. Im letzten Moment gedachte er sie wieder von der Mauer zu holen. Der bestochene Soldat wusste über seine Absicht Bescheid. …

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