... Persönlichkeit. Die Dame heißt Rapia und ist die verwitwete Gattin eines meiner Truppenführer. Sie hat geschrieben, daß du ihr Neffe bist und dich für den Heilberuf interessierst. Das müßte genügen. Laß dich auf wenig Gespräche ein, dann kannst du nichts falsch machen. Die Ärzte und Priester interessieren sich nicht für eine junge Aushilfe. Es wäre wahrscheinlich sowieso unter ihrer Würde sich mit dir groß zu unterhalten. Hältst du aber Augen und Ohren offen, kannst du bestimmt einiges herausfinden.“ Sie hatten jetzt ihr Ziel erreicht und Haremhab drückte ihr eine versiegelte Papyrusrolle in die Hand. „Weiter kann ich dich nicht begleiten, mich kennt hier jeder.“ Er hatte sich schon halb abgewandt, als er sich ihr ruckartig wieder zukehrte und sich mit der flachen Hand an die Stirn schlug. Mit angespannter Miene griff er sie am Arm und fragte besorgt: „Du kannst doch die Zeichen lesen und schreiben? Sonst fällt die ganze Mission ins Wasser! Es könnte sein, daß du irgendwelche Rezepte oder andere Schriften lesen mußt.“ Hochmütig zog Nefer eine Augenbraue hoch und meinte: „Edler Haremhab, ich wurde mit der Prinzessin Anchesenpaaton ausgebildet und habe mich weit mehr für die Schreibkunst interessiert als sie.“ Haremhab ließ grinsend ihren Arm los. Er salutierte spöttisch in ihre Richtung und war kurz darauf in der Menschenmenge, die den Vorplatz des Amuntempels bevölkerte, verschwunden.
Tempel
Nefer näherte sich zögernd dem riesigen von Obelisken gerahmten Pylonentor, das von zwei steinernen Pharaonen beschützt wurde, stieg dann aber entschlossen die breiten Steinstufen hinauf. Ein Wachposten stand davor und ließ lässig seinen Speer vor ihre Brust schwenken. Als sie ihm die Papyrusrolle reichte, öffnete er kurz das Tor und überreichte es einem vorbeikommenden Priester. Dieser erbrach das Siegel, überflog den Inhalt und winkte Nefer zu, ihm zu folgen. Sie durchquerten zuerst einen hohen, prunkvoll ausgestatteten überdachten Säulengang, dann den nach oben offenen, von drei Reihen Säulen umgebenen Sonnenhof und bogen vor den Räumen, welche zum Allerheiligsten gehörten und in denen früher der widderköpfige Gott Amun verehrt worden war, durch eine Seitenpforte ab. Diesen Tempel hatten die zerstörerischen Tilgungen der Götternamen und Bilder am ärgsten mitgenommen, da Amun und seine Priester die schlimmsten Konkurrenten des Sonnengottes Aton waren. Überall auf den buntbemalten, mit vielen Intarsien ...
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