Die Strafe dafür... War sie wirklich zu hoch ausgefallen? Sylvia wischte sich die Tränen aus den Augen. Das war doch nur eine Frage des Maßstabs, den man anlegte. Sie hätte sich vorher dieses Leben hier niemals vorstellen können, doch sie hatte es sich verdient. Über Jahr und Tag, all die Kleinigkeiten und nun hatte sie dafür die gebündelte Rechnung erhalten. Eine Abrechnung, der man nicht entkommen konnte. Eine schicksalhafte, höhere Gerechtigkeit. Sylvia schluchzte. Noch vor einiger Zeit hätte sie das als dummes Psychogequatschte abgetan und sich nach solchen Gedanken beim nächsten Psychiater eingefunden, doch inzwischen? Sie würde ihre verdiente Strafe verbüßen. Vielleicht brachte ihr das endlich den ersehnten inneren Frieden zurück! Schließlich muss jeder für seine Unzulänglichkeiten bezahlen. War das nicht immer schon ihr Motto gewesen? Sie wird hier sitzen bleiben, weil es keine Alternative gibt. Und sie wird sich dafür hassen, dass sie dies tut.
Sylvia zuckt unwillkürlich zusammen, als in ihrem Kopf ein Gedanke auftaucht. Nein, das ist vielleicht das Falsche Wort! Es war vielmehr ein Gesicht. Eines, dass ihr enttäuscht und unverblümt mitten in die Augen sieht. Sie versucht gar nicht erst, sich gegen die empor brodelnde Erinnerung zu wehren.
...
Ein kühler Windhauch streicht sanft über die nackten Waden hinauf über ihr von der dünnen Bettdecke halb entblößtes Bein. Die Härchen richten sich in einem unkontrollierbaren Reflex auf und Sylvia atmet tief durch. Verträumt schlägt sie ihre Augen auf und genießt die kühlende Brise. Diese Momente sind schließlich selten genug.
Die frische Luft von der weit geöffneten Verandatür schmeckte nach Tau. Zumindest bildete sie sich das ein. (In Wirklichkeit war da nicht viel mehr Wassergehalt, als zu jeder anderen Tageszeit auch.)
Sie schlug die Augen auf, blinzelte nach draußen. Es war noch Früh. Der wolkenlose, dunkle Himmel begann sich gerade erst am östlichen Horizont blutrot zu färben. Der Horizont! - Sand. Nichts als Sand! Ständig im Wandel. Durch den Wind geformt, durch die rauen Stürme wieder geglättet. Immer, wenn sie in der ...
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