Sie traute ihren Augen kaum. Es schien zu funktionieren. Sie blickte nach rechts und links. All die Mädchen, die in ihren Nischen hockten, kauerten, standen. Sylvia empfand so etwas wie Abscheu. Sie würde sich das nicht antun lassen. Nie im Leben! Da vorn war bereits der Tisch mit dem Krug. Im Vorbeigehen griff sie nach einem Stückchen Fladenbrot und stopfe es sich in den Mund. Nur nicht nervös wirken. Immer weiter näherte sie sich dem großen, raumteilenden Vorhang und damit auch der Tür, die hoffentlich in die ersehnte Freiheit führte. Noch fünf Meter. Noch einmal sah sie zurück in den Saal, dann griff ihre Hand nach der Türklinke. Sie glaubte, dass schon allein der Lärm ihres Herzschlages ausreichen müsste, um alles Personal im Umkreis von 100 Metern zu alarmieren. Irgendwie hatte sie gar nicht recht damit gerechnet, doch die Tür ließ sich widerstandslos öffnen. Von draußen flutete gleißendes Sonnenlicht herein. Sylvia kniff die Augen zusammen. So, der Tanz hatte also begonnen.
Explosionsartig sprintete sie los. Einfach geradeaus, bis sich ihre Augen an das grelle Sonnenlicht gewöhnt hatten. Hier draußen herrschte eine schier unerträgliche Glut. Die Luft war zum Schneiden dick. Dann schälten sich langsam Umrisse aus dem gleißenden Licht. Der Hof war staubiger, glühend heißer Sand unter ihren nackten Fußsohlen. Sie spürte, wie ihr geschwächter Körper zu keuchen begann und die kochende Luft in sich ein sog. Da vorn war das Eingangstor, die hohe Mauer, welche den Hof umgab, das rostige, scharfkantige Gitter, welches die Toreinfahrt versperrte. Atemlos sah sie sich um. Ein Wachmann trat aus dem Pförtnerhäuschen. Sie hörte Hundegebell. Dann entdeckten ihre Augen, wie sich zwei schwarze Punkte aus den Umrissen des Tores lösten und auf sie zu stoben.
Der Fluch blieb ihr im Hals stecken. Wie ein gehetztes Tier machte sie kehrt. In Gedanken konnte sie bereits das Blut riechen und die scharfen Zähne spüren, die sich in ihre Oberschenkel gruben. Vielleicht schaffte sie es zur Tür zurück, bis diese Bestien sie erreichten. Shit, so hast du dir deine Flucht nicht vorgestellt, oder? Sylvia wäre beinahe gestürzt. Au! Was musste dieser dumme Stein auch gerade hier herum liegen. Ein stechender Schmerz jagte ...
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