…
War das wirklich so gewesen? Oder spielten ihr die Erinnerungen einen Streich? Wie viel von alldem hatte ihr Kopf noch verdrängt? Gab es noch mehr Erinnerungen dort drin, die ihr verborgen waren? Sie tastete nach der Narbe. Das war Real, damit ließ sich arbeiten. Sylvia spürte die Unebenheit unter ihrem Haaransatz und versuchte sich an die Zeit direkt nach der Verhandlung zu erinnern. Was hielt ihr Kopf noch für Überraschungen für sie bereit? Wenn sie Glück hatte ...
… Sie hatte! …
Erst wusste sie nicht, wo sie war. Dann brach mit einem Mal der Damm und eine Flut von Erinnerungsfetzen stürzte auf sie ein. Sie keuchte, schloss die Augen und wollte es als dumme Hirngespinste von sich weisen, aber das waren sie nicht! Nichts von all dem. So viel Glück hatte sie dann auch nicht.
Sylvia versuchte sich aufzusetzen, doch ihr Kopf begann höllisch zu schmerzen, sodass sie sich schnell wieder zurück auf die harte Pritsche legte. Verflucht!
Anstatt Hunger oder Durst zu verspüren war ihr einfach nur schlecht. Sie sah sich um, ohne den Kopf allzu sehr zu bewegen. Die Natursteinmauern deuteten auf ein Kellergewölbe hin. Trotzdem war es hier unten nicht feucht. Die Luft roch staubig und abgestanden. Durch schmale, vergitterte Fenster fiel ein Bündel kochend heißer Sonnenstrahlen herunter und malte ein gleißend helles Rechteck auf den sandigen Boden. Ein Rechteck in welchem drei dünne, schwarze Kreuze zu sehen waren. Sylvia musste ihre dunklen Phantasien im Zaum halten, um nicht grundlos in Panik zu geraten. In ihrem jetzigen Zustand konnten unüberlegte Handlungen über ihr Schicksal entscheiden, das hatte sie vor kurzem bei ihrer Verhandlung lernen müssen. Diesen Luxus konnte sie sich also gerade nicht leisten. Es waren die Schatten der massiven Metallstangen in der Fensteröffnung.
Langsam wanderte der Lichtfleck mit dem Gittermuster durch den Raum. Wie spät mochte es da draußen wohl sein? Hier unten spielte Zeit keine Rolle.
Da draußen!
Ihr Blick haftete an der eckigen Fensteröffnung ohne Scheibe. Nur ein schlichtes Metallgitter. „Vielleicht wirst du bis ans Ende deiner Tage in so einem Loch verkümmern, Sylvie? He, wie wär’s?“
Sie ignorierte die innere Stimme.
Ob es hier Skorpione gab? Oder giftige Spinnen? Sie rang den Gedanken nieder. Soweit sie es überblicken konnte, war alles leer und ruhig. Nichts bewegte sich, aber man konnte nie wissen. Gemessen an der Hitze, die durch die schmale Fensteröffnung in den Keller eindrang, musste es draußen unerträglich heiß sein. …
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