… Innerhalb von nur einem Tag hatte die Königin die Abreise beschlossen und diese, ihrem energischen Naturell gemäß, auch durchgeführt. Zum Glück hatten Sunu und Tunip, in weiser Voraussicht, bereits gepackt und so blieb ihnen noch die Zeit, sich von Freunden und Bekannten zu verabschieden. Sunu blickte mit leichtem Schaudern in seine unbestimmte Zukunft bei Hofe. Da er seine ganze Kindheit und Jugend in Jebu verbracht hatte, hatte er noch nicht viel vom Lande Kemet gesehen. Die einzigen Reisen, die er je unternommen hatte, hatten ihn flussaufwärts zu der am nächsten Katarakt gelegenen Grenzfeste Buhen geführt, wenn er mit seiner Truppe dort zur Unterstützung gegen feindliche Übergriffe angefordert worden war. So kam es, dass er aufgrund seiner mangelnden Erfahrungen außerhalb Jebus, trotz seiner Skepsis gegenüber dem Hofe, eine gesunde Neugier hegte. Er konnte auch nicht abstreiten, dass sich eine Portion Stolz auf seine neue Stellung im Dienste der Herrin beider Länder mit hineinmischte. Eine leichte Wehmut streifte sein Gemüt, als er den Blick noch einmal flussaufwärts schweifen ließ, wo die alte Heimat schon längst hinter den Flussbiegungen verschwunden war. Er musste an eine einsame Grabstätte vor den Toren der Stadt zurückdenken welche er, gegen ein gutes Entgelt, der Pflege einer alten Dienerin von Hauptmann Nakht überlassen hatte. Dort ruhte seine Frau Nitokris, die schon vor vier Jahren ihre Reise in die jenseitig Welt angetreten hatte. Sunu war damals, als sehr junger Krieger, tagelang mit seiner Truppe durch die Wüste gestreift, auf der Suche nach einer Karawane von Dieben, die immer wieder die Dörfer um die Stadt angegriffen hatte, um zu rauben und zu plündern. Während er und seine Männer mit unerledigtem Auftrag nach Jebu zurückkehrten erkannten sie, dass die Horde ihre Abwesenheit ausgenutzt und die militärisch unterbesetzte Feste angegriffen hatte. Zwar zogen sie, nachdem die zurückkehrenden Medjay sie stark dezimiert hatten, jammernd zurück in die Wüste, aber ihr Überfall hatte die Stadt stark in Mitleidenschaft gezogen und viele Kämpfer hatten durch den Übergriff Verwandte, Freunde oder Frauen verloren. Auch Sunu. Er konnte seine geliebte Nitokris nur noch tot in die Arme schließen. Man hatte sie brutal geschändet und ermordet. Mit den Jahren hatten sich seine Schuldgefühle Nitokris gegenüber gelegt, aber die Sehnsucht nach ihr übermannte ihn noch manches Mal, wenn er einsam auf seiner Schlafstatt lag und unruhige Gedanken ihn nicht einschlafen ließen. …

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