… Sunu erhob sich schweigend, zog sich vollends an und verließ mit schweren Schritten das Gemach. Er wandelte eine Weile wie in Trance durch die Gänge des Palastes, durchquerte irgendwann den Sonnensaal, in dem er das erst Mal ein richtiges Fest erlebt hatte mit seiner Herrin als glänzendem Mittelpunkt. Durch die Säulen trat er hinaus in den Garten. Die Wachen sahen dem stillen Mann verwundert hinterher. Wie von einer fremden Macht gelenkt wandten sich seine Schritte unbewusst dem einen Teich zu. Er nahm nicht die zwitschernden Vögel um sich wahr, nicht die Pracht der in voller Blüte stehenden Pflanzen. Er blieb erst stehen, als die Zweige der Weiden des Teiches sein Gesicht streiften. Wie erwachend sah er sich um. Die Sonnenscheibe erhob sich eben erst über den Horizont und schickte kupferfarbenen Glanz über die Wasserfläche. Leichter Morgennebel stieg vom Teich auf und ringelte sich um die Stämme der Bäume. Sunu ließ sich auf das feuchte Gras sinken und stützte die Ellbogen auf die angewinkelten Knie. Er hob seine Hände vors Gesicht und überlegte, wem diese Hände, dieser Körper mit seinen kampferprobten Muskeln, dieser kämpferische Geist wohl in Zukunft dienen würden? Würde es seine Herrin von ihm verlangen, so würde er auch ihren Bruder akzeptieren. Zu stark war seine Treue und Bewunderung für die Herrin beider Länder in den letzten Monaten gewachsen. Er würde sie weiterhin schützen, ihr zu Diensten sein und zumindest seine Loyalität wenn auch nicht seine Sympathie gezwungenermaßen auf Thutmosis II ausweiten. Erschrocken zuckte Sunu zusammen, etwas hatte sanft seinen Handrücken berührt. Er nahm langsam die Hände zur Seite und sah in das von ihm so heiß begehrte und doch zurückgewiesene Gesicht. In seinen Träumen hatte sie ihn verfolgt, doch jetzt kniete sie wahrhaftig vor ihm und sah ihn fragend mit ihren goldenen Augen an. Wie eine überirdische Aura umfloß sie das Morgenlicht. Ihre Haare umwogten wie eine weiche dunkle Wolke die Schultern, das gelbe Gewand lag in zerfließenden Falten um ihre schlanken Glieder. Plötzlich bedurfte es keiner Frage mehr und – im sich hebenden Morgennebel und, von den hängenden Zweigen der Weiden nahezu unsichtbar gemacht, lagen sich die zwei einsamen Menschen in den Armen und küssten sich in sehnsüchtiger Verzweiflung.
Gefährliche Lauschaktion
Lange konnte die Dame Tuja ihrem neuesten Wachhund nicht entkommen. Als sie ein Knirschen auf dem nahen Kiesweg wahrnahm, löste sie sich sanft aus den Armen des Befehlshaberst, stand auf und verschwand zwischen den dunstumflossenen Bäumen. …

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