... Königin hatte dafür gesorgt, dass am anderen Ufer zwei Esel für sie bereitstanden. Ein stiller Diener übergab sie ihnen und entfernte sich dann rasch. Sunu und der Leibwächter hatten sich für äußerste Unauffälligkeit entschieden. Je weniger sie beachtet würden, desto besser. Sie trugen beiden nur einen kurzen Leinenschurz mit Gürtel und Waffe sowie einen Lederbrustharnisch. Sunu hatte es sich allerdings nicht nehmen lassen, das Geschmeide mit dem Horusauge anzulegen. Es sollte ihm bei diesem gefährlichen Unterfangen Glück bringen. Allerdings war es unsichtbar, da es zwischen dem Verband, den der Leibarzt Hatschepsuts über seine Rückenverletzung gelegt hatte, und dem Brustharnisch lag. Einen gewissen Aberglauben gegenüber der Nekropole konnte Sunu nicht abstreiten, selbst als Krieger nicht, und mit dem schützenden Gottesauge fühlte er sich irgendwie sicherer. Die beiden Männer setzten ihre Reittiere in Bewegung und ließen bald die in Ufernähe stehenden Totentempel hinter sich. Diese mit Säulen verzierten prächtigen Gedenkstätten waren Mahnmale für hohe Beamte und Adlige. Sie wurden von Priestern gepflegt und vom Volk und von Nachkommen der verstorbenen Edlen genutzt, um Opfer darzubringen und Andacht zu halten. Als wenig später die Stadt Deir El Medina vor ihnen auftauchte, schlugen sie einen leichten Bogen. Trotzdem wurden sie von einer Patrouille aufgehalten, welche sie aber nach Vorzeigen ihres Passierscheines sofort weiterziehen ließ. Re senkte sich auf die mächtigen Felsen, die das Tal begrenzten und aus denen der Tempel der Königin herausgearbeitet worden war. Die Wüstenlandschaft wurde in ein diffuses Licht getaucht. Die Zacken der Bergkämme leuchteten blutrot, während sich in die nach unten laufenden Schluchten und Spalten ein dunkelvioletter Schatten ergoß. Die Säulen des Tempels schimmerten hell in der aufkommenden Dunkelheit und, obwohl er noch ein gutes Stück entfernt lag, war er deutlich zu erkennen in der sinkenden Nacht. Wieder konnte Sunu den Blick nicht von dem faszinierenden Bauwerk abwenden. „Sind wir nahe genug?“ Unterbrach die Stimme Hui`s die Betrachtung des Leutnants. Sunu zügelte den Esel und blickte sich um. Deir El Medina lag ein Stück hinter ihnen; vor ihnen lag ein Stück Wüste mit wenig Gebüsch und ein paar verkrüppelten Dattelpalmen. Sunu kniff die Augen zusammen und erkannte im Schatten eines Tamariskenhains ein kleines Gebäude. „Das da drüben,“ er zeigte mit dem Finger auf das ...

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