… Tunip zog sich nun ebenfalls einen Hocker heran, der an dem grobbehauenen Tisch in der Mitte des Raumes stand und setzte sich. Sunu nahm einen Schluck aus dem Becher und verzog den Mund. Der Wein war nicht mehr kalt, aber er war noch zu genießen. Als er merkte, dass Tunip es kaum mehr erwarten konnte, begann er zu erzählen. Beginnend mit lauter uninteressanten Einzelheiten und Details beschrieb er die Ankunft der Königin. Tunip unterbrach ihn, am Ende seiner Geduld angelangt: „Sag mir endlich, wie sie aussieht, oder ich kann für nichts mehr garantieren!“ Theatralisch schwang er den inzwischen leeren Weinkrug über Sunus Kopf, der sich lachend mit den Händen schützte. Er hatte ein ausgesprochen gutes Verhältnis zu dem jungen Schreiber, den er vom Hafenviertel weg aus einem schlecht bezahlten, mit Prügeln und sexuellen Belästigungen seitens seines Chefs ausgeschmückten Job geholt und bei sich angestellt hatte. „Also gut,“ grinste er, „sie sieht atemberaubend gut aus. Ihre Augen sind wie dunkles Gold; ihr Mund ist eigenwillig und kirschrot und das Gesicht ist schmal, mit hohen Wangenknochen. Sie sieht aus wie ein Abbild der Göttin Isis. Bist du nun zufrieden, Tunip?“ Doch der Schreiber antwortete nicht. Mit verträumt aufgerissenen Augen starrte er zur Decke und ein weltabgewandtes Lächeln umspielte seinen Mund. „Nun gut,“ murmelte Sunu, sich mit einem hinterlistigen Seitenblick auf den Schreiber erhebend, „dann muß ich die Aufgabe den weiblichen Pharao zu schützen eben alleine übernehmen, wenn mein Untergebener zu nichts mehr zu gebrauchen ist.“ Wie von einem Skorpion gestochen fuhr der Junge von seinem Hocker hoch und stellte sich vor den Freund und Vorgesetzten hin: „Wehe, Leutnant, wenn du mich von dieser Aufgabe ausschließt... dann... dann...“ Es gingen ihm die Worte aus. Sunu klopfte ihm lachend auf die schmalen Schultern und sagte tröstend zu ihm: „Soweit ich dich einbeziehen kann und darf, werde ich es tun. Aber nun muß ich zur Villa von Nakht zurück und sehen, welche Aufgaben mich erwarten.“ Als der Leutnant das Haus verließ war der Nachmittag schon fortgeschritten und über den Straßen hing der Duft nach Zwiebeln, Bohnen, Fisch, gebackenem Brot und Fleisch. Auf dem Marktplatz wurden nun, da die flirrende Mittagshitze von den angenehmeren Abendtemperaturen abgelöst wurde, alle möglichen Waren feilgeboten. Sunu merkte bei all den Gerüchen nach Essen, Gewürzen und Sonstigem, wie sein Magen knurrte. …
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