… Sunu fuhr sich mit den Fingern durch die von Tunip, der in solchen Dingen äußerst geschickt war, in viele schmale Zöpfe geflochtenen Haare und schüttelte den Kopf. Er hatte ja gewusst, dass die Königin äußerst abenteuerlustig war, aber diesmal war es etwas anderes, denn er würde die Verantwortung für ihr Wohlergehen tragen. Entschlossen stellte er sich dem hin und her eilenden Nakht in den Weg: „Gibt es denn keine Möglichkeit, sie davon abzuhalten?“ Fragte er verzweifelt. „Meinst du nicht, dass ich alles, wirklich alles versucht habe, um ihr das auszureden?“ Brüllte der Hauptmann händeringend. Dann begab er sich wieder hinter seinen Schreibtisch, ließ sich schwerfällig auf den Lederstuhl plumpsen und stützte ergeben den Kopf in die Hände. Er fügte sich ins Unvermeidliche, wohl merkend, dass Sunu ihm in der augenblicklichen Situation auch keine große Hilfe sein würde. Seine gelblichen Augen richteten sich auf den hilflos herumstehenden Leutnant und, nach kurzer Überlegung, gab er nun ruhig seine Anweisungen: „Du wirst deine Truppe zusammenrufen und die Königin in die Wüste begleiten. Stelle auch eine Division Soldaten zusammen. Nimm dir so viele Leute, Wagen und Pferde wie du brauchst. Ich verlasse mich auf dich.“ Kurz schwieg das Stadtoberhaupt, dann fuhr er fort: „Eigentlich bin ich zu alt für solche Sperenzien, aber ich werde euch begleiten. Offiziell werde ich den Oberbefehl haben, aber inoffiziell bist du der Befehlshaber. Mach dich an die Arbeit; sie will morgen früh bereits aufbrechen.“ Müde winkte er dem Leutnant zu, den Raum zu verlassen. Sunu ging wie ein Schlafwandler Richtung Ausgang. Er hatte die Tür schon fast hinter sich geschlossen, als der Hauptmann ihm noch laut hinterher rief: „Du haftest mir mit deinem Kopf für ihren!“ Mit einem Schlag hellwach schloß Sunu die Tür mit lautem Knall und eilte mit verkniffenem Gesicht in Richtung der Kasernen. Die Sonne neigte sich bereits dem Horizont entgegen und bald würde der Mondgott Chons sein silbernes Licht über die Garnison fluten lassen. Bis zum Morgen waren es nur noch wenige Stunden Zeit und Sunu hatte alle Hände voll zu tun.
*
Noch vor Sonnenaufgang war Hatschepsut aufgestanden und hatte sich von ihren Dienerinnen baden, salben, schminken und anziehen lassen. Der Bewahrer der Insignien hatte ihr Krone, Krummstab und Wedel überreicht und sie hatte eine ihrer Sänften bestiegen. In Begleitung Ihrer von Sunu gestellten Wache und ihrer beiden schwarzen Beschützer war sie zum Tempel geeilt, ihre Trägersklaven zu schnellstem Tempo antreibend. …
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