… An der bezeichneten Stelle standen drei Fahrzeuge am rechten Fahrbahnrand, was den Verkehr der sechsspurigen Fahrbahn kaum beeinträchtigte, mir aber das Auffinden des Todesmüden erleichterte. Rocco war zwar ein Schlitzohr und hatte oft die Grenze der Toleranz überschritten, aber deshalb brauchte er sich nicht gleich von der über 60 Meter hohen Brücke zu stürzen. Ich hielt hinter dem schwarzen Jeep, der hinter Roccos rotem Cayenne stand. Davor hatte sich ein Streifenwagen des Police Departments eingereiht. Die Beamten standen mehrere Meter entfernt drüben am Geländer, daneben Bino im Anzug. Er hatte sich von der nächtlichen Sprühattacke wieder erholt.
Ich trat an den Zaun, der die Fahrbahn vom Fußweg trennte, stieg darüber und gesellte mich dazu, wurde von Bino schon sehnlichst erwartet, der mich mit den Worten: „Wo bleibst du denn?“ empfing.
Ich zuckte nur die Schultern und sagte:
„Der Verkehr, Bino, der Verkehr.“
Die beiden Politzisten kannte ich nicht, aber Bino hatte sie wohl dahingehend instruiert, daß sie sich zurückhalten sollten, weil ein ‚guter Bekannter‘ das übernehmen würde. Genau so verhielten sie sich. Abwartend.
„Woher weißt du überhaupt, daß er hier ist und springen will?“ wollte ich wissen.
„Er hat mich angerufen“, kam von Bino.
Ich verkniff mir ein Grinsen, trat an das Gitter, das eigens deshalb vor das kilometerlange Geländer gespannte worden war, damit sich solche Fälle nicht mehr ereigneten; trotzdem geschah es immer wieder. Irgendwo da unten mußte sich der kleine Pate befinden. Er hatte Bino angerufen. Normalerweise tun das Festentschlossene nicht.
„Rocco!“ rief ich gegen den Straßenlärm an. „Ich bin‘s, Harry.“
Als keine Antwort kam, kletterte ich auf das drei Meter hohe Gitter und setzte mich darauf. Wenige Meter unter mir sah ich ihn stehen. Er hatte sich an einer der schrägen Streben nach unten gleiten lassen, stand auf dem breiten Brückenträger und hielt sich mit beiden Händen an der Strebe fest.
Meine Erfahrung mit Selbstmordkandidaten hatte mich gelehrt, daß es verschiedene Typen gab. Die Entschlossenen kriegte man nicht zu fassen. Die wollten sich umbringen, die waren tot, bevor es jemand mitbekam. Aber mitunter traf man Menschen, die lediglich Aufmerksamkeit brauchten. Sie dachten gar nicht daran, sich umzubringen. Sie wollten Zuwendung, Gespräche. Die waren harmlos. Die konnte man immer überreden. Dann gab es aber noch die Zweifler, die selbst nicht wußten, ob sie in der nächsten Stunde noch am Leben waren. …
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